Über 300 Jahre Hofener Mühle: 1710 bis heute
Ein kurzer Abriss der Geschichte
1710 Am 3. September 1710 stellt Friedrich Wilhelm Müller aus Schadeck einen Antrag "in der Herrschaft Runckel untig Hofen einen neuen Mühlenbau" errichten zu dürfen.
Den Antrag richtete er an die Verwaltung der damaligen Graf-schaft Wied-Runkel (ab 1791 Fürstentum; die Linie Wied-Runkel erlischt 1824 und wird von Wied-Neuwied beerbt). Regierender Herr ist Graf Johann Ludwig Adolf zu Wied-Runkel mit Sitz in Wied. Der Bereich Runkel wird von seiner Mutter, der Gräfin Sophia Florentina verwaltet, die als Witwe in Runkel, also vor Ort, lebt.
Bereits vier Tage später erhält er den Bescheid von der Gräfin, die Mühle errichten zu dürfen. Erst zwei Monate später folgt die schriftliche Baugenehmigung, der Mühlen-brief. Es entstehen eine Getreidemühle und eine Ölmühle. Als Wasserpacht sind
"13 Malter gutes reines Korn für die Getreidemühle und sechs Taler für die Ölmühle" an den herrschaftlichen Speicher in Runkel zu entrichten. Die Mühle ist von Anfang an keine Bannmühle, d.h. der Müller darf für jeden mahlen, der kommt, und es darf auch jeder kommen und sein Getreide bringen.
Im Mühlenbrief sind weitere Auflagen beschrieben: So muss er die Mühle in gutem Stand halten und die Wassergräben regelmäßig säubern. Er hat sich gegenüber seinen Mahlkunden gut zu benehmen, keinen zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Wohl gemerkt: all das in einer Baugenehmigung!
1740 Die Mühle befindet sich im Besitz oder Eigentum (?) von Valendin Wahn und dessen Ehefrau Anna Maria, die1740 den Mühlenbau erweitern, um vor allem Wohnräume zu schaffen. Dies geht aus dem Spruchbalken über dem Eingang des Mühlengebäudes hervor: "IM JAHR ANNO 1740 HAT VALENDIN WAHN UND ANNA MARIA DIESEN PAU ERPAUET"
1765 Aus einem Verzeichnis der Privatmühlen der Herrschaft Runkel geht hervor, dass Johann Wilhelm Bangert der Besitzer (oder Pächter ?) der Unteren Mühle ist. Es heißt dort "sie ist gut gebaut, groß und mit Ziegelsteinen gedeckt". Auf dem Anwesen befinden sich strohgedeckte Viehställe und ein Backofen.
1770 Im Lagerbuch der Gemeinde Hofen wird Johann Gottfried Schäfer als
Besitzer genannt. 1774 pachtet er auch die herrschaftliche Bannmühle zu Runkel. Die Pacht ist aber offenbar sehr hoch, so dass Schäfer eine Hypothek auf die Hofener Mühle aufnehmen muss, die zu diesem Zweck auf einen Wert von 1000 Reichstaler geschätzt wird.
1776 Dem Johann Gottfried Schäfer geht das Geld aus. Er will die Mühle
verkaufen und schickt eine Beschreibung der Mühle an verschiedene Zeitungen, wie z.B. die Frankfurter Reichs-Post-Zeitung und das Dillenburgische Intelligenzblatt, sowie an die Schultheißen diesseits und jenseits der Lahn.
Schließlich soll die Mühle für 1150 Reichtaler an Johann Wilhelm Weyel aus Aumenau verkauft werden. Nicht nur die Gebäude sondern auch das "laufende Geschirr". Dazu gehören "alle Sieben, Wannen, Beutel, Waagen, Hebristen (?), Schläge (?), Billen (?), 1 Tisch in der Stube, 2 Bänke, 1 Schemel usw., samt allem, was nagelfest und eingeräumt ist".
1786 Der Kaufvertrag wird aber vermutlich annuliert und die Mühle geht an den Schwiegersohn von Johann Gottfried Schäfer, Ludwig Acker über, der die Mühle am 20. März 1786 an Johann Heinrich Pfeiffer von der Eismühle (Eisenbacher Mühle) in Dauborn für 930 Reichstaler und 30 Kreuzer verkauft.
Heinrich Pfeiffer ist ein Vorfahre der heutigen Eigentümer der Hofener Mühle, der Linie Dorn. Die Mühle ist also heute - im Jahr 2022 - seit 242 Jahren in Familienbesitz.
Johann Heinrich Pfeiffer ist verheiratet mit Wilhelmina Victoria Margarethe Emmelius. Ihr Großvater war der Kirchenrat Johann Ludwig Conrad Emmelius, vom dem ein Gemälde aus dem Jahre 1743 existiert, das heute in einem der Caféräume der Hofener Mühle hängt. Dessen Urgroßmutter Anna Neuendorf wurde 1643 in Greifenstein bei Herborn als Hexe hingerichtet. Die Linie Emmelius war über Generationen hinweg eine Dynastie von Kirchenleuten. Sie lässt sich zurückverfolgen bis Hans Emmel, der um 1450 im Roten Buch der Solms-Braunfelsischen Besitzungen erwähnt wird. Ende des 16. Jahrhunderts war es bei den gebildeten Schichten Mode, die Namen zu latinisieren, aus Emmel wurde Emmelius. Das war schick und modern zu dieser Zeit.
1822 Im Gebäudebuch wird Carl Pfeiffer, der Sohn von Heinrich Pfeiffer als
Besitzer genannt, der 1847 auch die Oberhofener Mühle von seinem Onkel (?) Jacob Pfeiffer im Rahmen einer Vermögensübergabe übernimmt und damit beide Hofener Mühlen besitzt.
1855 Die Tochter von Carl Pfeiffer und seiner Ehefrau Philippine geb. Lieber, Christiane Katharine heiratet 1841 Wilhelm Werner aus Hofen. Das junge Paar errichtet 1855 das Wohnhaus, was auf dem in die Hauswand eingelassenen Marmorbrunnen dokumentiert ist "Errichtet im Jahr 1855 von den Ehleuden Wilhelm Werner und Christiane geb. Pfeiffer"
1858 Carl und Philippine Pfeiffer übergeben die Mühle an Tochter Christiane und ihren Schwiegersohn Wilhelm Werner, behalten sich aber ein lebenslanges Insitzrecht vor, und zwar das "tapezierte Stübchen mit Nebenkammer, die vordere Wohnstube in der Mühle". Die Küche, den Kochherd und ein eingemauerten Kessel benutzen sie gemeinsam.
1868 Ihre Tochter Jacobine Werner heiratet Carl Heinrich Dorn aus Hofen. So tritt die Linie Dorn vor knapp 150 Jahren erstmals in die Geschichte der
Hofener Mühle ein.
1892 Im Stockbuch wird der Gebäudebestand genauer beschrieben. So befinden sich im Mühlengebäude neben dem eigentlichen Mühlenteil eine heizbare Stube, zwei nicht heizbare Kammern, ein Speicher, im Nebengebäude diverse Kammern, ein Gesindezimmer und zwei Mädchenzimmer.
1913 Karl Heinrich Wilhelm Dorn und seine Frau Anna Thekla geb. Schmidt aus Herrstein in der Pfalz übernehmen im Rahmen einer Erbregelung die Mühle und errichten an der Stelle der bis dahin betriebenen Ölmühle eine Anlage zur Stromerzeugung.
1922 Der Transformatorturm wird errichtet, um die beiden Nachbarorte Hofen und Schadeck von der Mühle aus mit Strom zu versorgen. Das erweist sich sehr bald als Fehlentscheidung, weil der Strombedarf in den angeschlossenen Haushalten sehr rasch anstieg und die Versorgung wegen der geringen Kapazität von der Mühle aus nicht gewährleistet ist. Sie wird Ende der 20er Jahre aufgegeben.
1936 Das alte eiserne große Wasserrad ist nicht mehr funktionsfähig und wird durch eine Turbine ersetzt.
1940 Karl Otto Dorn und seine Frau Marie Elise geb. Böttger aus Wolfhagen bei Kassel übernehmen die Mühle. Sie führen einige Erneuerungen durch, die aber wegen der Umstände des 2. Weltkrieges teilweise unvollständig bleiben, wie überhaupt die durch den Mühlenbetrieb und die kleine Landwirtschaft bestimmten wirtschaftlichen Verhältnisse sehr bescheiden sind.
1969 Die Mehlmüllerei wird eingestellt und 5 Jahre später auch die Schrotmüllerei. In den Folgejahren werden die landwirtschaftlichen Gebäude an Pferdehalter vermietet, die die zum Anwesen gehörenden umliegenden Wiesen als Pferdeweiden nutzen können.
1990 Weil die Mühle in ihrem Inneren mit ihren Maschinen und Anlagen noch vollständig erhalten ist, wird das gesamte Anwesen Hofener Mühle unter Denkmalschutz gestellt und gilt fortan als Kulturdenkmal.
1996 In einem Erbvertrag geht das Anwesen an Gernot Dorn, den jüngsten Sohn von Karl Otto und Elise Dorn über, der die durch seine Eltern bereits begonnene Renovierung des Anwesens verstärkt fortsetzt, Warmwasserversorgung und Heizung einbauen und verschiedene Räumlichkeiten zum Zwecke der Vermietung herrichten lässt.
1997 Die Stromerzeugungsanlage mit der Ossberger Durchströmturbine und dem asynchronen 380 Volt Drehstromgenerator wird modernisiert und mit einer automatischen elektronischen Regelung versehen. Die Anlage erzeugt 50.000 bis 60.000 kWh Strom im Jahr, was dem Strombedarf von 12 bis 15 Haushalten entspricht. Strom, der nicht selbst verbraucht wird, wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist.
2005 In den Räumen der alten Mühle und deren Nebengebäude wird ein
Café eingerichtet, andere Räume als Gästezimmer ausgebaut und die ehemaligen Stallungen und die Scheune für Veranstaltungen und Feiern hergerichtet.
2010 Heute wird die Hofener Mühle von Gernot Dorn und seinem Sohn Lars betrieben und ist vor allem in den Sommermonaten ein beliebtes Ausflugsziel und Veranstaltungsort für Familienfeiern, Seminare und Tagungen. Eine besondere Attraktion sind die von Gernot Dorn durchgeführten Mühlenführungen, eine Mischung aus Mühlengeschichte und Mühlentechnik und der Energiegewinnung aus Wasserkraft, eng verwoben mit der Geschichte der Menschen, die in den letzten 300 Jahren dort gelebt haben.
Copyright: © Dr. Gernot Dorn [Stand 2022]
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